Weihnachten Leute, aber dreht jetzt bloß nicht durch!
Inzwischen haben wir Eure Bitte aufgegriffen, die vorweihnachtlichen Betriebs-, Vereins- und was weiß ich nicht noch für Feiern mit den heimlichen Wahrheiten über die liebe Mühe mit der Besinnlichkeit zu füttern. So richtig ehrlich und unverfälscht, fand ich, gelingt diese schonungslose Aufklärung aber letztlich nur mit den Augen eines Kindes.
Da wäre zum Beispiel der Weihnachtsmann, der erst nach einigen kleinen Fläschchen Apfelsaft endlich den Mut findet, sich seinen Weg durch den dunklen Garten zu uns herüber zu bahnen, bis er schließlich im Gartenteich landet. Sicher. Licht wäre schön gewesen, aber dazu müsste Papa sich beim Reparieren der Lampen einfach mal Hilfe holen.
Oder die heiß ersehnte Spielkonsole, zu der nur 23 Updates unseres Routers fehlen. Und natürlich der gelbe Zettel mit dem Passwort dazu, der noch vor wenigen Wochen am Kühlschrank klebte, runterfiel und vom Staubsauger gefressen worden sein muss, weswegen nun der Staubsaugerbeutel im Flur seziert wird. – Weil in der Servicewüste Deutschland am Heiligabend ja einfach niemand von der Hotline an das Telefon zu bekommen ist.
Und mal ehrlich: Wer findet sich nicht wieder inmitten regelmäßiger Heiligabend-Kirchgänger, bei denen man sich fragt, wie so manche davon es schaffen, ganz vorn immer die besten Premium – Plätze zu ergattern? Da ist es dann gut, wenn man einen Papa hat, der schon am frühen Nachmittag die Reihe zwei für uns besetzt hält, und so machen dann auch all die alten Klamotten aus den Kleiderschränken wieder Sinn.
Aber ganz so weit hergeholt ist das Ganze ja auch nicht. Denn wer kennt das nicht? Diese Leute, die uns nachmittags noch auf dem Weg zum Bäcker frech die Vorfahrt nehmen, dabei auch noch wild gestikulieren, sich am Bahnsteig so gekonnt positionieren, dass sie bei der einfahrenden Bahn immer vor den alten Leuten hinein hetzen und auf die letzten Sitzplätze plumpsen können, bevor sie dann abends in der Kirche so tun, als seien sie die „Best – Practice – Lebendblaupause“ für die zehn Gebote.
Und dann natürlich die Kinder, deren Eltern Bücher wie „Starke Eltern, starke Kinder“ gelesen haben und nun ihre Wichte nicht zu starken Persönlichkeiten, sondern zu kleinen Egoisten erziehen. Weswegen sie auch überall herumlaufen, den Gottesdienst stören und die Eltern der Meinung sind, das läge einfach an der ganzen Aufregung.
Der Typ, der mir heute nachmittags noch die Vorfahrt genommen und wild mit was auch immer gedroht hat, wünscht mir beim Verlassen der Kirche plötzlich frohe Festtage, weil er noch vor seinem parkenden Auto den Geist der Weihnacht entdeckt hat. Die Sitzplatzjäger vom Bahnsteig heute Morgen lassen plötzlich beim Hinausgehen einen Senioren vor. Aber nur einen. Mehr geht wirklich nicht. Das steckt einfach noch so drin.
Auf dem Heimweg unterhalten sich die Leute entweder über das Essen, wie es am ersten und zweiten Weihnachtstag eigentlich weitergeht, wer dran ist, die Schwiegereltern zu übernehmen, wer welche Gebrechen hat und deshalb besser zu Hause bleibt, was wer eigentlich wo Sylvester macht und so weiter und so heiter.
Im Vorbeigehen wird noch über die Weihnachtsaußenbeleuchtung in den Gärten gelästert und jemand vorgeschickt, der schon mal die Musik einschaltet und die Kerzen anzündet.
Zu Hause angekommen wir dann weihnachtliche Musik gehört, die Kerzen werden angezündet, es wird angestoßen und schon mal erzählt. Die Komplexität einer solchen Konversation – noch dazu an Weihnachten – ist allerdings viel zu diffizil, je Familienkonstellation auch zu verschieden und deshalb hier nicht in Kürze behandelbar. Da sind dann in manchen Familien die klassischen Angeber, die unbedingt von ihren Boni erzählen möchten, die Discountertrinker, die die Hausherrin mit dem Bukett des Rotweins nerven, obwohl die eigentlich mit Blick in den Ofen gerade ganz andere Sorgen hat, das ungefragt gesprochene Wort eines geduldeten „Schwiegersohn-Quereinsteigers“, und…und…und.
Aber sind diese Tage dann vorbei wacht man morgens auf und denkt sich: „Ihr wollte eine neue Weihnachtsgeschichte? – Ihr sollt sie haben!“ Schöne Feiertage, und: Nehmt Rücksicht!