Es nützt ja nix.
Es scheint noch recht verbreitet eine Situation zu sein, als stünde ein kleines Kind am Küchenfenster und schaut hinaus in den Regen. Es möchte in`s Freibad, aber draußen zeigt das Thermometer eine Außentemperatur von 22 Grad und das Wasser klatscht waagerecht an die Scheibe. Das Kind wettert. Schließlich sei es letzte Woche auch möglich gewesen, und ob man jetzt zusätzlich auch noch von oben nass wird, ist doch schließlich auch egal. Diskussion folgt auf Diskussion. Auf Worte folgen Widerworte, und am Ende fühlt sich das Kind politisch verfolgt. Der gesunde Menschenverstand sagt, dass die Kälte und der Regen unweigerlich zu einer Erkältung am nächsten Tag führen muss, und da hilft es dann auch nichts, dass man vermutlich heute das ganze Freibad für sich allein hat.
Am Ende gibt die Mutter entnervt auf, schickt den Vater mit dem Kind in`s Freibad und am nächsten Tag folgt die Erkältung. Und zwar mit Fieber, denn halbe Sachen machen wir nicht. Und das Kind weiß: Am Freibad gestern hat das nicht gelegen!
In dieser Zeit steigender, ja ich gebrauche jetzt auch das Wort, Infektionszahlen, hilft auch alles Wehklagen über nicht nachgewiesene Infektionen in Restaurants, Kinos und vielem mehr nichts. Infektionen – auch in ein Cluster hineingetragen – begünstigen die Verbreitung. Wenn aus einer Schulklasse bislang angeblich keine Infektion bekannt ist und deshalb auf Gedeih und Verderb alles geöffnet bleiben soll, dann wird uns das Virus selbst zeigen, dass auch geöffnete Schulen die am weitesten verbreitete Großveranstaltung sind.
Und dann wären da noch die Theater, für die wir alle das hier machen. Ja, es ist schade, ja, Kultur ist wichtig, ja, es ist auch ein Grundbedürfnis. Aber nicht um jeden Preis. Wenn es vernünftigerweise pandemiebedingt nicht geht, dann geht es nicht. Dann muss man sich tatsächlich mal zurücknehmen. Es ist ja auch nicht für immer. Es nützt nix. Für die Folgen braucht es Lösungen. Aber neue Öffnungen bringen neue Folgen. Das ärztliche – und das Pflegepersonal hat zum Teil die Belastungsgrenze nicht nur erreicht, es hat sie auch bereits überschritten. Wir würden gern wieder unsere Komödien auf den Bühnen sehen. Aber nicht um jeden Preis. Jede Tote, jeder Tote ist eine Tote, ist ein Toter zu viel.
Nun habe ich mit einer satirischen Komödie „Homeoffice – Du machst dir kein Bild!“ den satirischen Blick über die Pandemie schweifen lassen. Aber seither mischt sich mehr und mehr das Gefühl der erdrückenden Wirklichkeit, gepaart mit dem Zweifel, ob das Thema nicht inzwischen viel zu Ernst geworden ist, als es mit dagegen banal anmutenden Luxusproblemen zu verharmlosen. Aber ist es nicht letztlich nicht auch erlaubt, uns allen den Spiegel vorzuhalten und auch hier und da ein bisschen wach zu rütteln? Ist es nicht auch wichtig zu hinterfragen, ob nicht gerade etwas mächtig schiefläuft, wenn in den Krankenhäusern Menschen sterben, die Alten nicht mehr besucht werden dürfen und Angehörige beim letzten Atemzug ihrer Lieben nicht dabei sein dürfen während gleichzeitig Rentner, und Pauschalurlauber mit der verschobenen Kreuzfahrt oder was weiß was für eine Reise hadern? -Und sogar meinen, die Vorkasse wäre ein annähernd vergleichbares Problem?
Ich schreibe für mein Leben gern Komödien. Das wird auch so bleiben. Aber ich will ehrlich sein: Die Ambivalenz dieser Zeit lässt mich zeitweise hin und her trudeln. Kultur ein Grundbedürfnis? Sicher. Aber über allem steht das Leben. Gelernt habe ich vor allem, mich zurück zu nehmen. Ich habe mich über die Uraufführung meiner „Homeoffice-Komödie“ gefreut. Sie wurde noch kurz vor dem „November-Lockdown“ auf die Bühne des Kammertheaters Kleinmachnow gebracht. Ich war dankbar. Auch habe ich mich für die Akteure, die all das möglich gemacht haben, gefreut. Und dennoch bleibt die Ambivalenz. Es mischt sich in die Freude das Gefühl, Unterhaltung nicht um jeden Preis einzufordern, und das tun wir nicht. Es wird alles besser. Es kommt auch alles wieder. Und bis dahin? Bis dahin sammeln wir einfach unsere Ideen. Es nützt ja nix.