Die Augen geöffnet
Es ist erstaunlich. Dadurch, dass jedem Vollhorst, der irgendeine Extremposition vertritt, in diesem Pandemiegeschehen plötzlich ein Mikrophon vor die Nase gehalten wird, scheiden sich nun mehr und mehr die Geister.
Offen gesagt: Ich hab kein Problem damit, einfach mal die Füße still zu halten. Und man gewinnt sogar den Eindruck, das tat so manchem Reizüberfluteten auch sogar mal ganz gut. Und mir gefällt es auch zu Hause, und ich will einfach nicht glauben, dass ich ein Einzelschicksal bin. Umso unverständlicher erscheint es da, dass die freizeitgestressten Rentner vor einem Mikrofon im Fernsehen verkünden, sie müssten jetzt auch mal raus, und das hätte ja nun alles lange genug gedauert. Und weil ja die Inzidenz auf Gran Canaria sogar niedriger sei als in Deutschland, sehe man da kein Problem.
Was allerdings ist, wenn jeder so denkt und das – noch dazu mutierte – Virus, wie im letzten Jahr, aus dem Ausland wieder hier nach Deutschland getragen und dadurch die Inzidenz wieder hochgetrieben wird? Achselzucken.
Muss man Ostern eigentlich in`s Ausland? Wie würde man das dem ärztlich und pflegerisch tätigen Personal gegenüber wohl erklären, die 24-Stunden- Schichten schieben und in der Mitte ihres Lebens vermutlich schon mehr gearbeitet und verantwortet haben als so mancher Rentner in ihrem ganzen Berufsleben? Und zwar im Dienste des Allgemeinwohls! Also für uns alle! Diese Idealisten hätten Urlaub bitter nötig, stehen aber an den Krankenbetten, die sich Dank der Kleingeister auf den Flughäfen mehr und mehr die Intensivstationen füllen.
Aktuell sind es nun die Impfungen, die nach langem Warten nun endlich an Fahrt aufgenommen haben. Es wird priorisiert, nach einer vorgegebenen Reihenfolge geimpft, und dann diskutiert. Und das nicht zu knapp! Und sind dann die ersten geimpft, wird wieder diskutiert: Was ist jetzt mit denen, die geimpft sind? Bekommen die jetzt Privilegien? Und wenn ja, ist das nicht ungerecht gegenüber denen, die noch nicht geimpft sind, weil die ja schließlich nichts dafür können, dass sie noch nicht im Club der Geimpften dazu gehören?
Also für die, die nur Singen und Klatschen in der Schule hatten: Das sind keine Privilegien. Das sind Grundrechte, die für eine bestimmte Zeit und nur unter engen Voraussetzungen eingeschrenkt wurden und bei denen diese Einschränkungen jetzt ihre Grundlage verloren haben. Weshalb diese Einschränkungen jetzt wegfallen.
Meinetwegen können die Geimpften sich jetzt zu Gartenpartys zusammenfinden und sich ordentlich welche reinorgeln wie so ein paar Achtarmige. Mir doch egal! Aber was die Berichterstattung mit den Menschen macht, folgt sodann im Alltag. Da wird dann schon mal ein Bild direkt aus dem Impfzentrum in den Whatsapp – Status gestellt, weil man durch ein Versehen bei der Krankenkasse dazu eingeladen wurde. Es sei Euch gegönnt, verrät es doch viel darüber, welch Geistes Kind so manche Menschen sind. Es reicht eben nicht, einfach nur Glück zu haben. Nein, man möchte dann schon auch zeigen, was man den anderen voraushat.
Und dann wären da noch die Chamäleons. Wissen eigentlich alles, möchte ihren Kindern Regeln und so allerhand Wichtiges für das Leben vermitteln, wechseln aber die Farbe, sobald es passt, und was noch viel wichtiger ist: Sie drehen die Farbe in eine Richtung, dass sie eher ihnen selbst passt. Natürlich gelten die Kontaktbeschränkungen noch. Natürlich hätte man den Lockdown konsequenter fassen und damit dieses sich hinziehen auf hohem Niveau vermeiden können. Aber ist das ein Grund sich selbst einfach vom Zusammenhalt auszunehmen und heimlich die Anarchie auszurufen? Da werden dann schon mal Kinder vorgefahren, unter Müttern geknuddelt oder sich umarmt, beim Geburtstag schon mal ein, zwei oder drei Leute eingeladen, die sehen man ja sowieso ständig. Nee. Ist klar.
Die ach so prominennten Schauspielerinnen und Schauspieler von wegen #allesdichtmachen möchte ich jetzt hier nicht unnötig umfangreich erwähnen. – Und dadurch unter Umständen womöglich auch noch aufwerten. Ich sage nur: Erst nachdenken. Dann reden! Lernt man doch spätestens im Kindergarten, Leute!
Dennoch: Ich denke, im Großen und Ganzen haben wir das alles recht gut hinbekommen. Auch gesellschaftlich.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Über so manche und so manchen, das wird vielen so gehen, wurden einem während dieses Geschehens allerdings auch hier und da die Augen geöffnet.