Theater Klarteckst e.V. in Breitenbach am Herzberg. – „Alles kann. – Nichts muss.“ – Es lohnt sich!
Diesmal haben wir uns nach Breitenbach am Herzberg auf den Weg gemacht. Für ein niedersächsisches „Nordlicht“ zwar keine landschaftliche Reizüberflutung, aber immerhin sieht man hier wenigstens nicht schon Mittwochs, wer Sonntags zu Besuch kommt. Hügelig, verträumt, aber das Wichtigste: Mit netten Menschen, bei denen alles, was sie erzählen, schon allein wegen des – wenn auch nur zaghaft durchklingenden – hessischen Dialektes ein bisschen klingt wie Musik.
Was ist besonders?
Die beachtlichen Räumlichkeiten wurden in einer arbeitsintensiven Gemeinschaftsarbeit zu einem Theater umgebaut, dass sogar über ein eigenes Theaterrestaurant verfügt. Für Laienspielgruppen definitiv ein Alleinstellungsmerkmal, das sich nicht nur sehen lassen kann.- Es lässt sich hier auch gut essen, und schon das sympathische Personal, von dem man hier empfangen wird, macht gleich zur Einstimmung Lust auf mehr. Besonders die Aufmerksamkeit und das zuvorkommende Wesen zeigen eindrucksvoll, dass ein Gast sich hier auch als Gast fühlen kann. So beginnt der Theaterabend mit dem Genuss eines guten Essens, einem guten Tropfen und netter Gesellschaft. Draußen spreche ich mit Leuten, die sich im Ort ebenso wenig auskennen wie ich, aber mir versichern: „Isch kenn misch hier a nedd aus, abbä in`s Theadder könne se ruhisch gehe, des lohnt sisch, däffinitiv!“ Wie ich noch lernen soll: Er wird Recht behalten. Zu Beginn vom Concierge Stefan Pistor begrüßt wird für ihn ein Geburtstagsständchen angestimmt, denn obwohl er heute seinen 65. Geburtstag feiern könnte, verbringt er diesen Tag mit seiner Frau und seiner Tochter im Theater. – Und darf mit seiner Frau sogar zusammen spielen. Beim Ständchen bekomme ich Gänsehaut, es war anrührerend, aber das kann auch daran liegen, dass ich ein ziemlich sensibler Vogel bin. Der Vorhang hebt sich, und schon geht es los. Drei Paare im besten alter brechen mit der Anonymität des Internets und lernen einander betreut kennen. Das ist keine herkömmliche Komödie, es ist vor allem ein Experiment, weil die Texte vom Wortwitz leben und jedem und jeder Einzelnen ein Ausdruck abverlangt wird, der neu sein wird. Und ich war sehr beeindruckt, dass das funktioniert. „Wir passen schon optisch nicht zusammen. Du siehst gut aus, und ich bin Politologe.“ Jede und Jeder antwortet auf die gleiche Frage seiner Rolle entsprechend. Der Sensible beschreibt seinen schönsten Moment anders als die Krankenschwester, die Friseurgehilfin, die Versicherungsmathematikerin, oder der Politologe, der sich über einen Abend freuen würde, an dem mit seinem Schnittchenteller den Fernseher einschaltet und hört, dass durch Bioökonomie der Welthunger besiegt und der Nahostkonflikt gelöst ist.
Was noch beeindruckt ist die Tatsache, dass wir es hier keinesfalls mit einer Metropole oder einem besonders großen Ort zu tun haben, aber das Theater aus dem Umland regen Zulauf bekommt. Das reicht für elf Vorstellungen, und ich würde sagen: Ein besseres Gütesiegel gibt es kaum. Es geht auch nicht um Perfektion, es geht um gute Unterhaltung von Menschen für Menschen. Schön auch, wenn die Menschen hier über meine Weisheiten lachen und von mir lernen. Zum Beispiel dass man guten Wein daran erkennt, dass er am nächsten Morgen nicht an den Schuhen klebt. Und wer Sahne will muss Kühe schütteln. Ich habe nie behauptet, dass ich zu einem ernsthaften Philosophen tauge. Aber mit diesem Stück ist es gelungen, den Menschen zwei Reflexe abzuringen: Der erste Reflex ist das Lachen. Und der zweite Reflex ist das Nachdenken und reden auf dem Heimweg. Ziel war es, den Menschen auch Sensibilität für das Hintergründige mitzugeben. Dass vieles lustig ist, aber eben auch das Fünkchen Wahrheit dahinter identifiziert wird.
Natürlich darf man sich das Stück auch einfach so ansehen. Das ist ja das Schöne. Nach dem Stück darf ich als Autor noch auf die Bühne und auch darüber habe ich mich gefreut, denn so konnte ich auch noch einmal dafür sensibilisieren, dass ich als Einzelner gar nicht wichtig bin, sondern dass es eines Zusammenspiels von allen bedarf, um dem Publikum einen solch schönen Abend zu bauen.
Die Verabschiedung war ebenso lieb und hilfsbereit wie die Begrüßung. Wir wurden zurück zum Hotel gefahren, und ich wüsste mein nächstes Stück vielleicht im nächsten Jahr hier in guten Händen. Aber das entscheide nicht ich. Aber: Alles kann. – Nichts muss.